Vom italienischen Lebensstil haben wohl die meisten eine mehr oder weniger genaue Vorstellung, die sich häufig vor allem aus Urlaubserfahrungen speisen dürfte – so war es auch bei mir. Wie es jedoch ist, auch den Alltag dort zu verbringen, darf ich seit vier Monaten bei einem Auslandssemester in Mailand erleben, das an meine Werkstudententätigkeit im Büro Hitschfeld anschließt. Es folgt ein kurzer Erfahrungsbericht.
Geselligkeit und stetige Kommunikation unter Freunden und in der Familie wird deutlich ausgeprägter gelebt. Getragen wird dies etwa durch die Kultur des Aperitivo, der gegen 18/19 Uhr zwischen dem Feierabend und dem Abendessen als Appetizer in einer Bar eingenommen wird – oder bei einem der vielen (und jedes Mal vortrefflichen) täglichen Kaffees in gemeinsamen Pausen.
Man kommt in der Öffentlichkeit schneller ins Gespräch. Begonnen wird unter Italienern zumeist mit der Frage, woher aus Italien man genau stammt. Als Ausländer helfen einem dagegen einige italienische Sätze als Türöffner – im besten Fall hat man bereits die Heimatstadt des Gesprächspartners besucht, zumindest für einen Tag.
Es bestätigt sich darüber hinaus das Klischee der ausgeprägten italienischen Gestikulation. Die Sprache wird konstant durch mal subtile, mal expressive Handbewegungen untermalt. Diese Angewohnheit fällt der Muttersprachlerin und dem Muttersprachler nach eigenen Angaben nicht auf, sondern ist eine natürliche Erweiterung des gesprochenen Worts – es ist ihnen vielmehr unvorstellbar, dass Menschen in anderen Ländern professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um etwa die richtige Körpersprache und das Gestikulieren bei einem Vortrag zu lernen.
Alles in allem zeigt sich eine deutlich emotionalere alltägliche Ausdrucksform, die einem als Deutschen anfangs noch ungewohnt ist, aber schnell gefällt.
Dennoch ist auch die strategische Kommunikation in Italien eine bereits länger etablierte Disziplin. Meine Gastuniversität, die IULM in Mailand, wurde 1968 gegründet und ist auf Kommunikation spezialisiert. Seit den 80er-Jahren wird hier auch in den Bereichen Public Relations und Corporate Communication gelehrt. Wie gefragt Nachwuchskräfte in diesem Feld sind, zeigt das Aufgebot der Gastdozentinnen und Gastdozenten, die führende Rollen in Kommunikationsabteilungen großer italienischer Konzerne einnehmen. Und das Lehrangebot kann sich auch international messen. Der Spezialisierungs-Studiengang der Nachhaltigkeitskommunikation, den ich im Rahmen meines Erasmus-Semesters belege, befasst sich mit einem Berufsfeld mit wachsender Bedeutung und findet sich in dieser Weise, auch in Deutschland, noch an wenigen anderen Unis.
Alles in allem sind der Aufbau des Studiums und der Lehrveranstaltungen sowie die gelehrten Inhalte gar nicht so verschieden zum Studiengang an meiner Heimuniversität in Leipzig. Das zeigt, dass strategische Kommunikation trotz Unterschieden in der lokalen Kultur international nach ähnlichen Prinzipien funktioniert – etwas, das einen angehenden professionellen Kommunikator ermutigt, den beruflichen Horizont auch ins Ausland zu erweitern.
Im Frühjahr ist nun zunächst noch die Prüfungsphase zu bewältigen, bevor es wieder zurück nach Leipzig geht (möglicherweise mit der Absicht, den Aperitivo dann auch dort zu etablieren).
Insgesamt ist das Erasmus-Semester schon jetzt eine Erfahrung, die mich sowohl persönlich als auch fachlich vielfältig inspiriert und für die Zukunft bestärkt hat.